Texten statt Schreiben

Hätte man mich als Kind gefragt, was ich werden möchte, wenn ich einmal groß bin – und sicher hat man das auch – und ich hätte ehrlich geantwortet, was ich vermutlich nicht getan habe, dann wäre die Antwort „Schriftstellerin“ gewesen.

Die Idee war, die deutschsprachige Literatur grundlegend zu revolutionieren, das Ganze mit erstaunlicher Breitenwirksamkeit, Ruhm, Erfolg und natürlich viel Geld. Zumindest genug, um davon leben zu können, zwei, drei Pferde zu besitzen, den Grund dazu und natürlich einen Hund.

Mit der Zeit bin ich älter und bescheidener geworden, aber die Idee war wohl noch irgendwie da. Ich habe die deutschsprachige Literatur studiert ohne sie zu revolutionieren, viel gelesen und davon geträumt, vielleicht einmal einfach für’s Lesen statt für’s Schreiben Geld zu verdienen. Nicht viel, aber genug, um davon leben zu können. Irgendwo in einem kleinen Häuschen mit Hund. Mittlerweile ohne Pferde.

Heute lebe ich tatsächlich vom Lesen und Schreiben  – in einem Häuschen und sogar mit Hund. Manches bleibt wohl. Mit Literatur hat das alles aber kaum mehr etwa zu tun. Und manchmal frage ich mich, ob ich mir durch das Texten nicht am Ende das Schreiben verleidet habe…

 

Unruhe

Fünf Uhr früh und ich stehe im Bett. Unruhe. Ärger über ein Verbrechen, das längst verjährt ist. Ein Verbrechen an meiner Integrität. Ach ja, längst verjährt. Der Ärger legt sich wieder. Ich mich nicht. Die Unruhe treibt mich aus dem Bett. In die Küche. Rasch noch aufräumen. Die Wäsche in die Maschine. Den Tag planen. Zwei, drei anstehende Entscheidungen treffen. Aufräumen. In mir. Und um mich herum. Und ich beginne langsam, die Unruhe als Geschenk zu begreifen…

Entladung erbeten

Da stehen sie. Am Flughafen. Am Bahnsteig. In der Warteschlange. Überall trifft man Menschen, die mit jeder Faser ihres Körpers auszudrücken versuchen, wie sehr sie das alles nervt.

Und wehe, man kommt ihnen dann in die Quere. Ein winziger Auslöser, und sei er auch noch so lächerlich, reicht ihnen, um sich zu entladen. Man hat fast den Eindruck, als hätten sie nur darauf gewartet.

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Dresscode

Kennen Sie das? Sie sind zu einer Gesellschaft, einer Party oder einem offiziellen Anlass eingeladen und haben keine Ahnung, was Sie anziehen sollen? Dann hilft Ihnen vielleicht folgendes Zitat. Es wird dem britischen Romancier William Makepeace Thackeray zugeschrieben, der heute 206 Jahre alt geworden wäre:

„Humor ist eines der besten Kleidungsstücke,
die man in der Gesellschaft tragen kann.“

Zeit…

 

Und manchmal, da bleibt einfach die Zeit stehen.
So, als könnte man sich zurücklehnen,
das Gesicht zur Sonne, die Augen zu.
Und keine Aufgaben, keine Anforderungen.
Nichts, das dringend oder unaufschiebbar wäre.

Natürlich geht die Zeit heimlich weiter.
Letztlich ist das ja auch das Einzige,
was man von ihr erwarten kann.
Indem sie vergeht, ist die Zeit die einzige Konstante.
Stehen bleiben liegt nicht in ihrer Natur…

Geht’s grad?

Manchmal geht’s grad nicht. Dann eben einmal nicht. Immer muss es ja auch nicht gehen. Da erübrigt sich sogar die Frage nach dem Wie. Meist geht ja ohnehin alles viel zu schnell. Und: Wenn es nicht geht, könnte es ja eigentlich auch stehen. Und zwar nicht einmal so schlecht, oder?

Noch Ärger?

Manchmal kommt er doch noch, der Ärger. Dabei bin ich schon ziemlich gut darin, ihn von mir fern zu halten. Meist hat die Ursache nämlich gar nichts mit mir zu tun. Ich werde also nicht persönlich angegriffen. Und wenn doch, so hat sich der Angreifer die Falsche ausgesucht. Wozu sollte ich mich schließlich auch mit Ärger belasten, wenn Gleichmut, Gelassenheit und – ja ich gebe es zu – ein wenig Überheblichkeit auch als Option zur Verfügung stehen.

 

Manchmal ist man aber auch betroffen, wenn man gar nicht gemeint wurde. Im Stau etwa. Oder in einem Konzert. Dann also, wenn es keine Möglichkeit gibt, auszuweichen. Dann kommt er doch noch, der Ärger.

Laut Verena Kast, wenn ich sie richtig verstanden habe, ist Ärger ein Zeichen dafür, wo unsere Grenzen beginnen. Mit dem Ärger nehmen wir Kontur an, spüren wer wir sind. „Bis hierher und nicht weiter“ könnte man das Gefühl in Worte fassen. Tja, aber wie kann man diese Signale in der Praxis für sich nutzen? Ohne sich selbst zu verleugnen. Und ohne stärker um sich zu schlagen, als es die Situation erfordern würde.

Denn irgendeine Reaktion muss man schließlich für sich finden. Und wenn diese Reaktion adäquat ist, verfliegt auch der Ärger. Zumindest bei mir dürfte es so sein. Scheinbar geht es also gar nicht um den Angriff sondern vielmahr um das Finden einer angemessenen Erwiderung darauf, um den Ärger in den Griff zu bekommen und die Situation als Erfolg einzustufen.

Letzte Woche, zum Beispiel, war ich bei einem Konzert. Ich habe mir Zeit genommen, ein Ticket organsiert, die Anreise auf mich genommen. Und das alles nur, um eine bestimmte Band zu sehen und zu hören. Leider war beides zunächst nicht möglich. Der an sich gute Blick auf die Bühne wurde von einem Handy-Display verdeckt. Und die Musik – der Sound wäre ausgezeichnet gewesen – wurde von vier heftig tratschenden Damen hinter mir übertönt.

Das Bild der drei Affen, die sich selbst Augen, Ohren und Mund zuhalten, drängte sich auf. Hätte mir nun noch ein „dritter Affe“ den Mund verboten, wäre der Ärger wohl übermächtig geworden. So aber drehte ich mich nach den Damen um und bat sie um Ruhe. Zwei Mit-Leidende standen mir bei und die zwar zunächst uneinsichtigen, dann aber doch überstimmten Störenden verstummten.

Beflügelt von dem unerwarteten Erfolg überlegte ich kurz, ob ich mich zu dem Handy-Filmer nach vorne drängen sollte, um ihm ebenfalls gehörig die Meinung zu sagen, als mir das Schicksal bzw. die Schwerkraft zu Hilfe kam. Ermüdet ließ nun auch dieser Sicht-Verschmutzer die Arme sinken und ich hatte – zumindest vorübergehend – das Vergnügen, das Konzert sowohl akustisch als auch visuell genießen zu können.

Den Ärger über die vier Tratschenden hatte ich überwunden. Nur mit der Fraktion der Handy-Filmer habe ich noch eine Rechnung offen. Nun, so wie ich das sehe, wird sich spätestens beim nächsten Konzert ein Filmer finden, der sich meine Meinung anhören wird müssen. Oder sind Sie vielleicht einer von denen? Das wäre schön. Dann wäre das Thema nämlich jetzt auch für mich (zumindest emotional) erledigt….

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Ich bin gut!

An und für sich bin ich durchaus für den korrekten Gebrauch von Sprache. Gelegentlich öffnet sich aber auch ein neuer Blick auf wenig hinterfragte Redewendungen, wenn diese nicht ganz korrekt eingesetzt werden:

Vor ein paar Tagen besuchte ich die transdanubische Filiale einer mir nicht sonderlich sympathischen Fastfood-Kette. Auf dem Weg zu den Waschräumen, die meiner Ansicht nach übrigens weit mehr zu empfehlen sind als das hier angebotene Kulinarium, kam ich an einem Personalraum vorbei, dessen Tür weit offen stand.

Zwei Frauen, beide gekleidet in der Putz-Tracht der Kette, begrüßten einander gerade herzlich. Die eine rief mit einem Akzent, den ich nicht weiter zuordnen konnte, fröhlich: „Hallo! Wie geht es dir?“ Darauf die andere, ebenso erfreut: „Danke! Ich bin gut! Und du?“ Worauf die erste folgerichtig erwiderte: „Ich bin auch gut!“

Wann haben Sie zum letzten Mal, voller Freude gerufen, dass Sie gut sind? Und wann wurden Sie das letzte Mal danach gefragt? Ich möchte mich an dieser Stelle bei den freundlichen beiden Frauen bedanken, dass ich Zeuge ihrer kurzen Konversation werden durfte. Ein wunderbares Erlebnis, das wieder einmal offenbart, wie viel Potenzial Floskeln hätten, wenn wir sie nicht ständig – zwar korrekt – aber doch ganz ohne Inhalt abspulen würden…